
Sportgeschichte in Midsomer, Teil 1
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(Achtung: Enthält Spoiler für Episode: 13×06: Unter der Gürtellinie)
This article is also available in English.
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Cricket wird in vielen Episoden gespielt – sogar aktiv von den Sergeants Gavin Troy und Ben Jones – aber leider wird die Geschichte von Cricket nie besprochen, und Fußball kommt überhaupt nicht vor. Es gibt jedoch Erwähnungen von historischen Ereignissen in drei anderen Sportarten, an denen jeweils sehr erfolgreiche Sportler aus Midsomer County beteiligt sind: Schach, Formel 1 und Boxen. Siehe: Sportgeschichte in Midsomer, Teil 2.

Boxen ist das Thema dieses Artikels. Und wir beginnen – wie könnte es in Midsomer anders sein – mit einer Nachstellung des berühmten Boxkampfes zwischen Tom Sayers aus England und John Heenan aus den USA auf dem Gelände von Midsomer Morchard.
Nicht einmal Tom Barnaby wusste, dass dieser berühmte Kampf mit bloßen Fäusten hier stattgefunden hat. Hier in Morchard Manor. Königin Victoria war nicht anwesend, obwohl es sie interessiert hätte, aber die berühmten Autoren Charles Dickens und William Makepeace Thackeray waren sehr wohl unter den Zuschauern.
Illegales, aber aristokratisches Mäzenatentum
Das deutet darauf hin, dass Midsomer Morchard an der Grenze einer anderen Grafschaft liegt, denn damals war es üblich, die illegalen Preiskämpfe in der Nähe der Grenze abzuhalten. So konnten die Zuschauer die Grenze schnell überqueren und der drohenden Gerichtsbarkeit entgehen.
Aber wie kam es zu dieser Faszination für einen Sport, der nicht einmal legal war, sondern als Schlägerei, Körperverletzung und Aufruhr eingestuft wurde? Der Faustkampf wurde um 1700 gesellschaftsfähig. Ab 1698 gab es Faustkämpfe, die trotz ihrer Illegalität im Londoner Royal Theatre ausgetragen wurden. Einer der Preisboxer, James Figg, erregte so viel Aufmerksamkeit und Begeisterung, dass er zum Champion von England gekrönt wurde und dies 15 Jahre lang blieb (1719-1734).
Jack Broughton war einer von Figgs Schülern und soll den Grundstein dafür gelegt haben, dass Boxen zu einem akzeptierten und angesehenen Sport wurde: Er stellte die ersten Regeln auf (1743) und genoss die Gunst des Adels. Das mag damit zusammenhängen, dass es in den 1800er Jahren unmodern geworden war, Schwerter und andere tödliche Waffen zu tragen, die in Duellen verwendet wurden. Auf jeden Fall wuchs das Interesse des englischen Adels an Preisboxern und deren Förderung, als das Leichtgewicht Daniel Mendoza sie mit seinem Kampfstil – Schnelligkeit statt Kraft – begeisterte und faszinierte.
Die Besonderheit von Broughtons Regeln war, dass der Kampf in Runden aufgeteilt war, mit einer halben Minute Pause zwischen den Runden. Die Regeln sahen auch einen Kampfrichter vor. Dies sorgte für ein gewisses Maß an Ordnung und Fairness im Kampf, der weiterhin ohne Handschuhe, ohne Gewichtseinteilung und ohne Höchstdauer ausgetragen wurde. Außerdem war es nach Broughtons Regeln weiterhin erlaubt, einen Gegner zu ringen und zu schlagen, nachdem man ihn auf die Matte geworfen oder getroffen hatte.
Ringen erlaubt

Das England der Regentschaft war die Blütezeit des britischen Boxsports. Die Aristokratie liebte den Sport immer mehr und obwohl er immer noch illegal war, wurden Polizeirazzien nicht mehr mit äußerster Strenge, sondern sehr lax durchgeführt. Sogar der König, Georg IV., war ein großer Befürworter des Boxens und bat einige berühmte Preisboxer, bei seiner Krönung als seine Leibwächter zu fungieren.
Im Jahr 1838, 17 Jahre nach seiner Krönung, wurde ein neues Regelwerk eingeführt, dessen überarbeitete Version von 1853 zum Zeitpunkt des Sayers-Heenan-Kampfes noch in Kraft war:
Die London Prize Ring Rules waren ein Satz von 29 Regeln, die von der British Pugilists’ Protective Association initiiert wurden. Nach den Broughton Rules und Daniel Mendozas Kampfstil waren sie ein weiterer Eckpfeiler auf dem Weg des Boxens zur Legalität.
Ringen war weiterhin erlaubt, ebenso wie das Tragen von Stachelschuhen (innerhalb bestimmter Grenzen) und das Festhalten und Werfen eines Gegners. Es waren immer noch Kämpfe mit bloßen Fäusten, d.h. ohne Handschuhe.
Beschränkte Brutalität
Neu war die Größe des Boxrings, 24 Fuß oder 7,32 Meter im Quadrat, der von zwei Seilen begrenzt wurde. Und obwohl Ringen und Stachelschuhe weiterhin erlaubt waren, schränkten die neuen Regeln die Brutalität etwas ein. Zu den Fouls gehörten Tritte, Hiebe, Kopfstöße, Bisse, Tiefschläge, Kratzen, Schläge, während der Gegner am Boden lag, das Festhalten der Seile und die Verwendung von Harzen, Steinen oder harten Gegenständen.
Der Kampf ging über mehrere Runden, aber es gab keine maximale Anzahl von Runden oder Dauer. Er dauerte so lange, bis einer der Gegner nicht mehr kämpfen konnte. Das heißt, wenn er den Scratch, die Ausgangsposition an einer Markierung in der Mitte des Rings, nicht innerhalb von 38 Sekunden ohne Hilfe erreichen konnte.
Es wurden keine Punkte vergeben, aber die Kämpfer konnten sich mit dem Kampfrichter auf ein Unentschieden einigen. Andere mögliche Gründe für einen Abbruch waren Störungen durch die Menge, polizeiliche Eingriffe, Belästigungen oder einfach, weil es Nacht geworden war und man nichts mehr sehen konnte.
42 Runden

Der Kampf zwischen Tom Sayers aus Brighton und dem Amerikaner John Heenan galt als erste Weltmeisterschaft im Boxen und erregte ein solches Aufsehen, wie es der Boxsport in England noch nie erlebt hatte. Die New York Times vom 31. März 1860 berichtete, dass mehrere Mitglieder des Parlaments unter den Zuschauern waren, ebenso wie die Aristokratie und viele der literarischen, künstlerischen und sportlichen Berühmtheiten Londons. Der Transport aus London wurde von der North Western Railways übernommen. Und trotzdem war Boxen illegal.
Es stimmt übrigens, dass die Schriftsteller Charles Dickens und William Makepeace Thackereray unter den Zuschauern waren, wie Farquaharson erwähnt. Ebenso wie der damalige Premierminister Lord Palmerston und der Prinz von Wales, der spätere König Edward VII.
Das Spiel begann am 17. April 1860 um 7.30 Uhr und dauerte zwei Stunden und 10 Minuten. Sayers war der Favorit, da er zwölf von fünfzehn Kämpfen gewonnen hatte. Heenan hingegen wurde in den USA als erfolgreicher, starker Boxer gefeiert, hatte aber erst zwei Preiskämpfe bestritten – und beide verloren. Alles sah relativ einfach aus, aber Heenan schaffte es, seinen Gegner in der dritten und vierten Runde niederzuschlagen, vielleicht weil Sayers in der Sonne stand. Dann, in der sechsten Runde, wurde Sayers’ rechter Arm so schwer verletzt, dass er über eine Stunde lang mit einer Hand kämpfen musste. In der siebten Runde gelang es ihm, Heenan mehrmals ins Auge zu schlagen, das daraufhin anschwoll.
Ein abruptes Ende
Dann, in der 37. Runde, drückte Heenan Sayers’ Hals gegen das oberste Seil und würgte ihn unrechtmäßig. Die Seile wurden dann heruntergelassen, um Sayers’ Leben zu retten. Normalerweise war der Kampf vorbei, wenn die Seile heruntergelassen wurden, und die Zuschauer strömten herbei. Es herrschte ein Höllenlärm – nun ja, nicht ungewöhnlich für Midsomer County, oder?
Jedenfalls wollte der Schiedsrichter den Kampf abbrechen und ihn für unentschieden erklären, aber die Gegner wollten das nicht. Also wurde der Ring ein paar Meter zur Seite geschoben und der Kampf ging weiter.
In der 42. Runde wurde der Kampf jedoch abgebrochen, als die Polizei am Rande des Rings gesichtet wurde, und der Kampf wurde für unentschieden erklärt. Beide Kämpfer erhielten die Meisterschaftsgürtel. Sayers hat nie wieder gekämpft.
Die edle Kunst…
“As soon as the Englishman had brought the use of his fists to a ‘science’ – or, perhaps, as he preferred to call it, to ‘the noble art of self-defense’ – he began to look upon the use of the knife as cowardly, as a practice utterly beneath his contempt. And so it came to pass in due time that among foreign nationalities the fists of the ready Englishman were always more to be dreaded than the murderous knife of the desperado.” (Source: Frederick W. Hackwood: Old English Sports. London 1907. P. 198-199.)
(“Sobald der Engländer den Gebrauch seiner Fäuste zu einer ‘Wissenschaft’ gemacht hatte – oder vielleicht, wie er es lieber nannte, zur ‘edlen Kunst der Selbstverteidigung’ – begann er, den Gebrauch des Messers als feige zu betrachten, als eine Praxis, die völlig unter seiner Verachtung lag. Und so kam es, dass die Fäuste eines wehrhaften Engländers bei fremden Völkern immer mehr gefürchtet waren als das mörderische Messer eines Desperados.”)
Doch damit war die Geschichte noch nicht zu Ende, denn die Kontroversen und Anfeindungen hielten noch wochenlang an. Die Briten sahen Sayers in Führung, die US-Amerikaner beteuerten, dass Heenan vorne lag. Die Polizei sei absichtlich über den Ort des Kampfes informiert wurde, so dass der Kampf abgebrochen und Heenan seines Sieges beraubt wurde. Iain Manson untersuchte vor ein paar Jahren sowohl die Zeitungsberichte als auch die Kontroverse und kam zu dem Schluss, dass Heenan dem Sieg wohl tatsächlich sehr nahe war.
Die Nachstellung in Morchard Manor sollte eine andere Geschichte werden: Nicht nur, dass Königin Victoria – dargestellt von Joyce Barnaby – der Schlacht beiwohnte und die Sayers-Skulptur von Libby Morris enthüllte. Nein, der frischgebackene Weltmeister John Kinsella sollte Sayers spielen und Friedensrichter Farquaharsons Sohn Sebastian sollte John Heenan spielen. Und natürlich war geplant, dass Kinsella als Sayers gewinnt.
… aber mach es midsomeresk

Tatsächlich endete die Nachstellung mit einer Verwechslung, bei der Ken Tuohy anstelle von Sebastian vor Kinsella stand. Er ist der Ehemann der Bildhauerin, die ihn wiederum mit John Kinsella betrügt. Ja, ein typisches Midsomer-Durcheinander und wahrscheinlich wäre dieser Kampf pro Tuohy-Heenan ausgegangen, wenn Gerald Farquaharson nicht eingegriffen hätte.
Ja, der Kampf zwischen Sayers und Heenan fand tatsächlich statt, aber nicht in Midsomer County, sondern auf einem Feld in der Nähe von Farnborough im Nordosten von Hampshire und der Grenze zu Surrey – und 10 Meilen / 16 km vom Drehort entfernt: Loseley House, das im Domesday Book als “loser” Besitz von Torald erwähnt wird. Das heutige Gebäude stammt ebenfalls aus der elisabethanischen Zeit und wurde seit seinem Bau in den 1560er Jahren äußerlich kaum verändert. Steine der Waverley Abbey, die nach dem Säkularisierung der Klöster verfallen ist, wurden bei ihrem Bau verwendet – und sie war selbst ein wiederkehrender Drehort für Midsomer Murders-Folgen, zum Beispiel St. Frideswide Abbey, aber auch als verlassenes Kloster Monks Barton.
🤓 Noch mehr Inspector Barnaby und Midsomer-Geschichte
Die Chronologie der Grafschaft Midsomer (auch nach Episoden (🇬🇧) sortiert) • Hintergrundinfos zu britischer Geschichte in Inspector Barnaby • Drehorte und ihre Geschichte (🇬🇧)Drehorte und ihre Geschichte (🇬🇧), wird Stück für Stück ergänzt
Literatur
- Hackwood, Frederick W.: Old English Sports. London 1907.
- Manson, Iain. The Lion and the Eagle. Cheltenham 2008.
Ich möchte darauf hinweisen, dass dies eine inoffizielle Fanseite ist. Ich stehe in keiner Verbindung zu Bentley Productions, ITV oder den Schauspieler*innen.
Zuerst veröffentlicht auf MidsomerMurdersHistory.org am 26. Februar 2025.


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