
Jane Austen & Baroness Orczy in Midsomer
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(Achtung: Enthält Spoiler für Episoden: 10×07: Mit Gift und Guillotine und 19×05: Stolz, Mord und Vorurteil)
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Die idyllische Landschaft von Midsomer County ist weithin bekannt. Kein Wunder, dass Jane Austen und Baronin Emma Orczy, zwei berühmte Schriftstellerinnen, hier gelebt haben sollen. Oder ist das nur eine Geschichte?
Der Wettstreit um Authentizität

Das Re-Enactment der Großen Georgianer (“Gorgeous Georgians” im englischen Original) in Whitcombe Grange Hall muss unterbrochen werden, weil eines der Regency-Liebhaber im nahe gelegenen Wald ermordet wurde – die Journalistin Samantha Berry.
John Barnaby und Jamie Winter befragen die Besitzer des Hauses, Kitty und James Oswood. Kitty Oswood antwortet auf die Frage, was für eine Veranstaltung hier stattfindet: Es ist nur ein Re-Enactment zu Ehren von Jane Austens Besuch in Whitcombe Grange Hall im Jahr 1801.
Gemma Christie, die im Dorf lebt, sieht das anders. Sie leitet den Jane Austen Peaceship Circle, eine Art Museum. In einem kleinen Nebengebäude – „The Jane Austen Tea Room“ prangt an der Außenseite des Gebäudes – sind mehrere Räume voller Regency-Möbel. Jeder Zentimeter scheint ausgenutzt worden zu sein. Auch an den Wänden hängen unzählige Bücher.
Jane Austen in Whitcombe Grange?
Ob Jane Austen tatsächlich in Whitcombe Grange übernachtete – im Herrenhaus oder im Dorf – ist nicht wirklich klar. Hat Gemma Christie nur über ihre Ausbildung gelogen, um einen besseren Ruf zu erlangen und den Wettbewerb gegen Oswoods zu gewinnen? Oder ist auch der Besuch von Jane Austen auch Teil des Schwindels?
Schauen wir uns mal Jane Austens Leben an: 1775 geboren, wurde 1783 von einer Verwandten in Oxford unterrichtet und besuchte von 1785 bis 1786 die Reading Ladies Boarding School. Sie besuchte auch Verwandte in Kintbury, Berkshire, der Heimatstadt ihrer Mutter Cassandra.
Vor 1801 lebte die Familie in Steventon, zwischen Reading und Southampton und gut 10 Meilen oder 20 Kilometer südlich der Grenze zu Berkshire. In den ersten 26 Jahren ihres Lebens war das nur eine Tagesreise entfernt, also durchaus im Bereich des Möglichen – sofern man Midsomer County mit jenen Grafschaften gleichsetzt, in denen die Dreharbeiten meist stattfinden: Oxfordshire, Berkshire und Buckinghamshire.
Mr Darcys Pemberley in Midsomer County

Turville, der Drehort von Gemma Christies Museum und Tearooms, liegt in Buckinghamshire. 22 Meilen bis zu ihrem Haus in Steventon, 14 Meilen bis zu ihrem Internat, 20 Meilen bis zum Haus ihrer Mutter in Kintbury – in den 1800er Jahren fuhr eine Kutsche fünf Meilen pro Stunde.
Das Dorf Turville war schon in angelsächsischer Zeit bewohnt. Abgesehen von den beiden bereits erwähnten Herrenhäusern ging das Dorf durch das schlafende Mädchen von Turville in die Geschichte ein. Genau 70 Jahre nach Jane Austens angeblichem Besuch fiel das Mädchen, Ellen Sadler, in einen komatösen Schlaf, aus dem sie nicht mehr geweckt werden konnte. Sie wurde zu einer Touristenattraktion und brachte der Familie Geld ein. Nach neun Jahren wachte sie plötzlich auf und lebte, abgesehen von ein paar kleineren körperlichen Folgen, ein längeres Leben.
Aber es gibt keine Spur von einem Bezug zu Jane Austen.
Ganz im Gegenteil zum Drehort für Whitcombe Grange Hall. Ich hatte mich schon gewundert, warum ein – für Inspector Barnaby ganz ungewöhnlich – Drehort in der Nähe von Sheffield gewählt wurde. Aber siehe da, es diente nicht nur als Schauplatz für die 2007 erschienene Version von Stolz und Vorurteil, sondern soll Jane Austen auch als Vorlage für Pemberley, das Zuhause von Fitzwilliam Darcy, gedient haben.
Ich halte es für wahrscheinlicher, dass Jane Austen hierher zum Tee kam als nach Turville, aber beide Orte sind denkbar.
Darüber hinaus hat Chatsworth House Verbindungen zur angelsächsischen Zeit, als das Land den nordischen Chetel gehörte und im Domesday Book als Eigentum der Krone erwähnt wird. Später, während des Bürgerkriegs, wurde das Landgut von beiden Seiten besetzt. Die Familie Cavendish, die Herzöge von Devonshire, schlug sich auf die Seite der Royalisten und erhielt ihren Besitz, der ihnen seit fast 500 Jahren gehörte, erst 1660 zurück.
Lord Fitzgibbon – der Archetyp eines Helden?
Superman, Batman, Spiderman, Zorro… die Liste der Superhelden, die ihre Identität nicht preisgeben, ist lang. Sie alle basieren auf der Idee von Baroness Orczy und dem Scharlachroten Siegel (“Scarlet Pimpernel” im Original). Ein ritterlicher, galanter Engländer namens Sir Percy Blakeney, der in Verkleidung Aristokraten vor der Guillotine rettet. Auf der einen Seite ein reicher Possenreißer, auf der anderen Seite ein meisterhafter Schwertkämpfer sowie geschickter Verkleidungs- und Entfesselungskünstler.
Mit einem Erkennungszeichen: Eine rote Blume, die im Englischen den Namen Scarlet Pimpernel trägt.
Neville Hayward geht im Wohnzimmer hin und her. Er hat einen Block in der Hand und schreibt etwas auf. Er spricht leise und unverständlich vor sich hin. Seine Schwägerin, Gwen Morrison, legt Tarotkarten und ist sichtlich genervt von seinen Bewegungen und seiner Hektik. Aber er merkt es nicht, denn er ist gerade einfach sehr zufrieden mit seinen Formulierungen.
Nicht so Gwen Morrison, die seit dem Tod ihres Mannes Ted mit Neville zusammenlebt. Sie seufzt und rollt mit den Augen. Sie mag es nicht, wenn er erwähnt, dass Baroness Orczy in Midsomer Magna Manor lebte und dass die Figur des Sir Percy Blakeney auf dem damaligen Gutsherrn von Midsomer Magna, Fitzgibbon, basiert.
Eine Verfechterin der Aristokratie

Leider erfahren wir in der Folge wenig über Lord Fitzgibbon und können den Mann nicht mit der Romanfigur vergleichen. Aber was ist mit der Tatsache, dass Baroness Orczy kurz nach der Jahrhundertwende in Midsomer Magna war? Oder besser gesagt, in Loseley Park, Guildford, Surrey. (Ja, hier fand 1860 der berühmte Boxkampf zwischen Sayers und Heenan auf dem Farquaharson-Anwesen statt… oder etwa nicht?).
Emma ‘Emmuska’ Orczy verbrachte ihre frühen Jahre als Tochter eines Barons in Ungarn. Während des Aufstandes gegen die Aristokratie floh ihre Familie mit ihr quer durch Europa – Brüssel, Budapest, Paris – und ließ sich zwölf Jahre später, 1880, in England nieder. Ihr ganzes Leben lang glaubte sie an die Vorherrschaft der Aristokratie, den Imperialismus und den Militarismus. All diese Elemente kamen in ihrem Stück über den Scarlet Pimpernel zusammen, das 1903 in Nottingham uraufgeführt wurde.
Baroness Orczy hatte die Idee zu Sir Blakeney, nachdem sie kurz nach der Jahrhundertwende mit ihrem Mann, Henry George Montagu MacLean Barstow, in Paris war. Es heißt, sie habe das Stück in nur fünf Wochen geschrieben.
Ursprünglich war The Scarlet Pimpernel ein Roman, aber kein Verlag wollte ihn drucken, also stellte ein befreundeter Schauspieler sie dem Schauspielerteam Fred Terry und Julia Neilson vor, die auf der Suche nach einem neuen romantischen Drama waren. Und so schrieb die Baroness ihr Stück in ein Schauspiel um.
Der unbekannte Held war geboren

Obwohl das Stück in Nottingham kein großer Erfolg war, wurde es am 5. Januar 1905 im New Theatre in London aufgeführt und war sehr, sehr beliebt. Es war sogar so beliebt, dass Orczy ihren Roman verkaufen konnte. Das wurde ein sofortiger Erfolg, denn die begeisterten Kritiken des Stücks brachten Orczy viele weitere Leser in Großbritannien und dem Rest der Welt. Der Roman wurde ein Bestseller und eine neue Art von Held war geboren.
Das Geschichte spielt in England im Jahr 1792: Sir Percy Blakeney hat die Liga des Scarlet Pimpernel zusammengestellt: 19 auserwählte Männer – alles englische Aristokraten – die seine geheime Identität kennen. Sein Gegner war der Bürger Chauvelin, der vom jakobinischen Frankreich nach England geschickt wurde. Der Scarlet Pimpernel rettete mehrere englische Lords und Earls vor der Guillotine, was ihm natürlich den Unmut der Jakobiner und ihrer Anhänger einbrachte.
Fun Fact am Rande: Ich hörte zum ersten Mal vom Scarlet Pimpernel in der Folge „Nob and Nobility“ in der dritten Staffel von Blackadder. In der Kneipe bekundet Edward seine Unterstützung für die Französische Revolution und Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und bezweifelt die Existenz des Scarlet Pimpernel. Tim McInnerny, der in der Serie immer Percy ist, spielt in dieser Folge ein Alter Ego des Scarlet Pimpernel. Fans von Blackadder werden wahrscheinlich schon geahnt haben, wie das Ganze ausgeht.
“They seek him here”

Der Originaltitel der Episode ist ein Zitat aus dem Roman. Die vollständige Passage lautet: “They seek him here, they seek him there. Those Frenchies seek him everywhere. Is he in heaven or is he in hell? That demned elusive Pimpernel” („Sie suchen hier nach ihm, sie suchen dort nach ihm. Die Franzosen suchen überall nach ihm. Ist er im Himmel oder in der Hölle? Dieser verdammte, schwer fassbare Pimpernel“.)
Aber wo war Baroness Orczy? Sie lebte in London, also kann es gut sein, dass sie einmal einen Ausflug nach Surrey gemacht hat. Loseley Park wurde im 16. Jahrhundert gebaut, teilweise mit Steinen von Waverley Abbey nach deren Säkularisierung. Zur Zeit des Domesday Book gab es ein Gebäude namens Losele, das Torald (Thorold) gehörte.
Orczy war so erfolgreich, dass sie sich ein Haus in Monte Carlo leisten konnte. Hierher zog sie sich auch ins Exil zurück, als der Zweite Weltkrieg England erreichte. Sie kehrte danach nicht in ihr geliebtes London zurück, aber nach Oxfordshire. Es war nicht Guildford, wo Loseley Park steht, aber Henley-on-Thames. Und damit der Schauplatz von zehn Episoden von Midsomer Murders und 31 Meilen (50 km) von Loseley Park entfernt. Allerdings war The Scarlet Pimpernel zu diesem Zeitpunkt bereits geschrieben worden.
Ein paar Ausschmückungen der Geschichte
Und eigentlich ist es auch egal, denn …. erinnert ihr euch an den Dialog zwischen Neville Hayward und Gwen Morrison? Ihr missfiel die Erwähnung, dass Baroness Orczy auf Midsomer Magna Manor lebte und dass Lord Fitzgibbon ihr Vorbild für Sir Percy Blakeney war.
Und das aus gutem Grund: Es ist nicht wahr. Aber das ist ihm egal, denn es geht ihm nur um die Aufmerksamkeit. Der Zweck heiligt die Mittel. Ist das nicht typisch Midsomer?
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Die Chronologie der Grafschaft Midsomer (auch nach Episoden (🇬🇧) sortiert) • Hintergrundinfos zu britischer Geschichte in Inspector Barnaby • Drehorte und ihre Geschichte (🇬🇧)Drehorte und ihre Geschichte (🇬🇧), wird Stück für Stück ergänzt
Literatur
- Dugan, Sally: Baroness Orczy’s The Scarlet Pimpernel. A Publishing History. Abingdon 2012.
- Jane Austen Centre: Down the Kennet and Avon Canal with Jane Austen. In: Jane Austen Centre (10/01/2000).
- NN: Letters of Jane Austen. Brabourne Edition. Letters to her sister Cassandra Austen, 1801. In: The Republic of Pemberley. URL: https://pemberley.com/janeinfo/brablet5.html
- NN: Parishes: Turville. In: William Page (Ed.): A History of the County of Buckingham. Volume 3. S. 101-105.
- Royston, Peter: A brief biography of Baroness Orczy, the creator of the Scarlet Pimpernel. In: Guide Write.
Ich möchte darauf hinweisen, dass dies eine inoffizielle Fanseite ist. Ich stehe in keiner Verbindung zu Bentley Productions, ITV oder den Schauspieler*innen.
Zuerst veröffentlicht auf MidsomerMurdersHistory.org am 1. März 2025.


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